Peking

Mao Tse-tung's Porträt hängt noch immer über dem Eingang zur Verbotenen Stadt. Ein grauenvoller Schandfleck! Chris hatte uns zwei lehrreiche Bücher über China's moderne Geschichte geschenkt. Nach dieser lehrreichen Lektüre ist es für uns unverständlich, dass der Menschenschinder noch immer auf die Chinesen und Besucher der Stadt herabblickt. Wir wussten nur wenig über das Leben und die politischen Kampagnien in China seit der Kommunistischen Revolution. In den letzten Jahren ist es einigen Emigranten, die unter Mao's System gelebt und gelitten haben, gelungen, ihre dramatische Geschichte zu veröffentlichen. Nach langen Jahren des Schweigens sind wir nun in der Lage, das tragische Schicksal von Generationen nachzuvollziehen.

Mao's Machtmissbrauch, seine sinnlosen ökonomischen Pläne, ideologischen Programme und seine Verfolgung des "Klassenfeindes" hat das Leben von Millionen von unschuldigen Menschen gekostet. Historische Baudenkmäler und wertvolle Tempel wurden vernachlässigt oder abgerissen. Eine Handvoll weitsichtiger Funktionäre war in der Lage, die wichtigsten Monumente des alten China zu schützen und vor dem Ruin zu bewahren. Nach Mao's Tod wurde damit begonnen, die Bauten der Kaiserdynastien und wichtigsten Tempel zu restaurieren und der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die von uns besuchten Baudenkmäler befanden sich in erstaunlich guter Verfassung.

Ein Spaziergang über den riesigen Tienanmen Platz führt selbstverständlich zum prächtigen Eingangstor der Verbotenen Stadt. Wo sonst nur der Kaiser, seine Familie und Ratgeber sowie die Bediensteten eintreten durften, ist nun jedermann willkommen. Deshalb wird dieser endlose Komplex seit der Revolution Palast Museum genannt. Die Hallen, Tempel, Privatpaläste und Regierungsgebäude werden von grossflächigen Innenhöfen, weissen Marmorterassen und -treppen, und massiven Mauern mit reich verzierten Toren umgeben. Die Gebäude sind mit mächtigen roten Holzsäulen, wundervoll bemalten Decken und Balken sowie geschnitzten Fensterläden ausgestattet. Die Dächer und Tore sind mit gelben, grünen oder blauen glasierten Keramikziegeln gedeckt. Überdimensionale, meist goldene, lächelnde Buddhafiguren sitzten hinter prächtigen Altären in den glitzernden Tempeln. In anderen Tempeln stehen eine Anzahl von verschiedenen Heiligen und Helden. Ähnliche Architektur, Anordnung von Gebäuden und Innenaustattungen.fanden wir in sämtliche Baudenkmälern der Kaiserzeit.


Verzierter Giebel, wasser bEhaelter, Dekorative Mauer mit Eingangstor in der Verbotenen Stadt

Der Beihai Garten, mit seinen Vergnügungsgebäuden und Tempeln, wurde um einen See angelegt. Eine 300 Meter lange, halbrunde, überdachte Promenade am Ufer einer kleinen Insel beeindruckte uns besonders. Die Aussenwände eines kleinen Tempels (Bild links) sind mit glasierten Kacheln verkleidet. Jede Kachel enthält eine sitzende Buddhafigur. Das Detail einer Dachkante (rechts) zeigt die typische Parade von Keramiktieren, angeführt von dem Mann auf der Henne, welche das Haus vor bösen Elementen bewahrt.


Beihai Tempel mit Doppeltem Dach und Buddhakacheln

Die aussschweifende Anlage des Sommer Palastes windet sich um den Kunming See. Die kaiserliche Familie erholte und vergnügte sich hier in den ruhigen Hallen, Gärten, Theatern, Pavillions oder auf dem Wasser. Der prachtvolle Haupttempel (Bild links) steht auf einem angeschütteten Hügel. Ein Fussweg führt diagonal über den flachen See und sieben verschiedene Brücken. Diese schwungvolle Marmorbrücke ist sicher das beeindruckendste Exemplar.


Sommer Palast

Der Tempel des Himmels, eine weiterer grossangelegter Komplex, erfordert ebenfalls mehrere Stunden Besichtigungszeit. Die meisten Tempelgebäude und Gebetsflächen sind rund, einschliesslich dem bezaubernden Haupttempel im rechten Bild. Eine hohe Marmorstrasse verbindet die einzelnen ritualen Stationen. Der Kaiser wurde natürlich per Sänfte zu den heiligen Stätten transportiert. Ein romantischer Zypressenpark versteckt die kaiserlichen Studienhallen und Schlafgemächer. Der Kaiser verbrachte hier einige Wochen während einer jährlichen Fastenzeit und Abstinenzphase. Wundervoll bemalte Pavillions bieten Schatten für die heutigen Besucher.


Typische Bemalung der HolzBalken

Eine Region mit dem Namen Simatai, 120 km nordöstlich von Peking in den Berggebieten entlang der chinesisch-mongolischen Grenze, wurde als ein besonders abgelegener, atemberaubender und malerischer Abschnitt der Grossen Mauer empfohlen. Die preiswerte Taxifahrt führte durch Kleinstädte und Dörfer, und erlaubte uns einen Einblick in das ländliche Leben von China. In den meisten lehmfarbenen Ansiedlungen scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Die Jäger und Angler verkaufen ihre Beute direkt an der Strasse, darunter Forellen, Hasen und Fasane. Eine Horde chinesischer Frauen begrüsste uns auf dem Parkplatz unterhalb der Chinesischen Mauer in Simatai. Die englischen Vokablen reichten für die typischen Fragen nach unserer Herkunft und Absicht, verschiedene Souveniers zu kaufen. Wir gaben den Damen mehrfach zu verstehen, dass wir an ihren Waren nicht interressiert sind. Sie (ver)folgten uns allerdings bis auf die Mauer und entlang unserer Wanderung.

Die ein bis fünf Meter breite Mauer in Simatai verbindet 27 Wachtürme. Leider standen wir unter Zeitdruck (der Taxifahrer hat auf uns gewartet!); der kalte Wind verhinderte oft die sichere Balance auf Schnee und Eis. Immerhin bestiegen wir sieben Türme. Chris hatte am zweiten Wachturm auf uns gewartet und von den Frauen nun doch ein Buch gekauft. Von uns wurde nun erwartet, ihrem Beispiel zu folgen: "Du kaufe Buch! You buy book"! Erst nachdem wir ein paar Postkarten ertanden hatten, willigten die Frauen ein, uns in Ruhe zu lassen und nach Hause zu wandern. Später haben wir uns dann geärgert, dass wir nicht doch eins der hübschen Bücher mitgenommen haben.

Wer hätten uns nie vorstellen können, in unserem Leben je auf der Grossen Mauer zu stehen. Dieses 6000 km lange Bauwerk gehört zu den Glanzleistungen menschlicher Vorstellungs- und Arbeitskraft. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, auf diesem betagten Wunder zu stehen und mit dem Blick die Mauer bis zum Horizont zu verfolgen. Wie eine riesige Schlange kriecht das graue Band über die Berggipfel. Die folgenden Fotos geben eine minimale Version unserer Eindrücke wieder.


Die Grosse Mauer balanciert auf dem steilen, Bizarren Felsgrat in simatai

Acht Tage in China's Hauptstadt gaben uns gerade genug Zeit, um die berühmtesten Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Wir hatten diesen Reichtum an historischen Baudenkmälern und bemerkenswerten Anlagen in und um Peking nicht erwartet. Unser Aufenthalt erlaubte uns nicht nur, historische Architektur und uralte Traditionen kennenzulernen, wir haben ausserdem einen kleinen Einblick in den modernen Alltag und die heutigen Lebensbedingungen erhalten. Die Mehrzahl der Bevölkerung lebt noch immer in ärmlichsten Verhältnissen. Ganze Familien teilen sich die winzigen Zimmer in den Lehmhäusern der alten ummauerten Wohngemeinschaften. Die neuzeitlichen Wohnhäuser haben sicher Zentralwärme und fliessendes Wasser, sehen aber trotzdem schmutzig und verwahrlost aus. Der Müll wächst zu Bergen an jeder Strassenecke, an Flussufern und zwischen den Häusern. Kohleöfen und alte Autos produzieren eine derartige schmutzige Luft, dass man die Schmutzteilchen regelrecht schmecken kann.

Die Strassen sind von hupenden Autos und Unmengen Fahrrädern überfüllt. Letztere werden zum Transport von Kohle, Holz, Möbeln, Lebensmitteln und anderen Waren benutzt, selbst bei minus zehn Grad. Doch China bewegt sich in neue Richtungen. Die breiten Prachtboulevards gleichen den Hauptstrassen in jeder anderen modernen Stadt. Riesige neue Hotels, Einkaufszentren, Bankgebäude und internationale Firmen haben westliche Waren, Gelder und freies Denken nach China gebracht. Besucher können ohne besondere Erlaubnis frei durch die Stadt spazieren und die ländlichen Gegenden besuchen. Das Vorhandensein von Informationen, alternativen Philosophien und beruflichen Möglichkeiten weist Chinas Massen einen neuen Weg. Wir haben das Land optimistisch verlassen und hoffen, dass die Menschen in China von den Fehlern und Leiden der Vergangenheit lernen und in der Zukunft ohne Angst und Unterdrückung leben können. Und das Mao's Bild bald abgenommen und vernichtet wird!