Photogenes Tasmanien

Vielleicht sollte die "herzförmige Überraschung" (so nannte ein Einheimischer sein Tasmanien) wirklich ein Geheimnis bleiben! Der Tourismus hat diese abwegige, bergige Insel am südöstlichen Ende Australians, getrennt vom Festland durch die gefährliche Bass Strait, glücklicherweise noch nicht entdeckt. Auch wir wussten sehr wenig über dieses grüne Juwel und hatten nur vier Tage für eine Rundreise eingeplant. Doch bereits nach wenigen Stunden erkannten wir unseren Fehler und verlängerten den Aufenthalt auf eine ganze Woche. Man könnte die Insel auf den "Highways" (alles nur zweispurige Strassen) in ca. 10 Stunden umfahren. Möchte man wenigstens einen Teil der einzigartigen Naturwunder kennenlernen, sind selbst sieben Tage nicht genug.


Port Arthur

Wir begannen unsere Rundfahrt mit der Tasman Peninsula (Halbinsel), wo sich Port Arthur (Festung mit Hafen) befindet. Diese Anlage gehörte zu den ersten und grössten Gefängnissen in Australien. Die Geschichte der europäischen Siedler in Australien begann mit der Errichtung zahlloser Gefängnisse, welche England mit jeder Art Kriminellen füllte. Das Bild oben zeigt die Ruinen der Zellengebäude und Aufseherunterkünfte, und links zwischen den Bäumen die noch erhaltene Villa des Kommandanten. Die Engländer haben sich eine traumhaft schöne Bucht - wovon es wahrlich genügend in Tasmanien gibt - für diese Einrichtung ausgesucht. Ohne die Anwesenheit der Sträflinge und Gesetzeshüter kann man heute einen netten Spaziergang durch die gepflegten Anlagen geniessen und erhält dabei einige interessante Informationen über das damalige Gefängnisleben.

Nach dem Rundgang setzten wir uns in ein kleines Wasserflugzeug und bestaunten die Steilküste dieser Halbinsel aus der Luft. Dunkle Doleritfelsen (ein vulkanisches Gestein ähnlich dem Basalt) bis zu 300 m Höhe wachsen senkrecht aus dem Wasser. Vereinzelte Felsen wurden durch die Kraft des Wassers vom Festland abgespalten und stehen nadelförmig in den sprudelnden Wellen. Diese einzigartige Landschaft könnte sicher tausende Touristen locken, allerdings scheinen nur wenige davon zu wissen. Wir hoffen, die folgenden Photos können dieses Wunder der Natur ungefähr wiedergeben.


Waterfall Bay


Fortuesque Bay (Bucht)
 

Das Phenomen der natürlichen Fliesen oder Pflastersteine im Bild rechts wird Tessellated Pavement genannt (das erste Wort kann ich leider nicht im Wörterbuch finden, Pavement bedeuted Pflaster). Die Wellenspülung hat das Doleritgestein in einen glatten, gleichmässigen Tanzboden verwandelt. Der wissenschaftlich genaue "Herstellungsprozess" bleibt allerdings ein Rätsel. Diese Art von Pflastersteinen findet man entlang vieler Buchten Tasmaniens, manchmal erstrecken sie sich mehrere hundert Meter lang.

Von der Tasman Peninsula fuhren wir nach Norden zum Badeort Bicheno, eine empfohlene Tauchstelle, ausserdem nahe dem Freycinet Nationalpark. Wir fanden ein nettes Hotel am Strand. Der Besitzer erklärte uns ohne Umschweife, dass der Hotelstrand unter Naturschutz steht, da die Fairy (die Übersetzung ist Märchen oder Fee ) Pengiune dort seit Jahrhunderten ihre Nester bauen. Der Zimmerpreis beinhaltete eine Penguintour. Natürlich waren wir skeptisch, fanden uns aber pünktlich nach Sonneruntergang am Strand ein. Unser Führer war nicht nur lustig, er wusste ausserdem alles über die Sitten und Gebräuche der Pengiune. Die drolligen Vögel bevorzugen den dicht mit Grass und Sukkulenten bewachsenen Strand, da die Erdschicht das Graben von Nestlöchern ermöglicht. Im Sand würden diese schnell einstürzen.

Penguinpaare kehren Jahr für Jahr und seit Generationen zum gleichen Nestloch zurück. Die Paarungs- und Brutzeit beträgt zwei bis drei Monate. Ein Penguinpaar produziert normalerweise zwei Eier. Ein Elternteil verlässt das Zuhause am Morgen und verbringt den gesamten Tag auf See mit der eigenen Ernährung und der Futterbeschaffung. In grossen Scharen kehren die Vögel nach Einbruch der Dunkelheit zu ihren Familien zurück, um diese dann mit ihrem Mageninhalt zu füttern. Unser Führer zeigte uns die wartenden Jungen, welche oft hungrig vor den Nestern standen. Im Alter von ca. sechs Wochen waren die Kücken noch immer mit dem grauen, plustrigen Erstfederkleid bedeckt. Und endlich - im sanften Strahl der Taschenlampe entdeckten wir hurtige Scharen von "Nahrungbeschaffern", welche nun über den Strand rannten, über die Steine hopsten und ihren Weg zum Nest fanden. Nur wenige Sekunden später liefen diese niedlichen Geschöpfe direkt an uns vorbei. Wir konnten sogar beobachten, wie die gefrässigen Jungen gefüttert wurden. Welch' ein reizendes Schauspiel! Und eine weitere Überraschung!!

Fairy Penguins (30 bis 40cm gross)

Am nächsten Morgen fanden wir uns zeitig zum Tauchen ein. Leider wurden wir von einem unfreundlichen Tauchmeister nur unzulänglich betreut, konnten aber unter Wasser herrliche Schwämme, riesige Hummer, schwebende Seeanemonen und artenreiche Kelpwälder bestaunen. Am Nachmittag besuchten wir den Freycinet Nationalpark und wanderten zur Weinglassbucht (Wineglass Bay, Photo rechts unten) sowie zu weiteren unberührten Stränden und Uferwäldern. Da dem verehrten Leser die schwärmerischen Adjektive, welche ich wiederholt zur Beschreibung Tasmaniens verwenden muss, sicher bereits auf den Geist gehen, fasse ich diese kurz zusammen: unberühert, sauber, menschenleer, malerisch, still, erholsam, umwerfend schön, grün, verträumt ... ... ... ... Nur 450.000 Menschen leben auf dieser Insel. Elektrizität wird ausschliesslich durch Wasserkraft produziert. Luft und Wasser sind ungewöhnlich sauber, die Sicht ertaunlich klar. Da könnte man schon wieder ins Schwärmen geraten ... 


Wineglass Bay

Leider trieb uns der Tourplan voran - kaum Zeit zum Verweilen und tiefen Ein- und Ausatmen. Die Fahrt führte über das Bergplateau zum Mole Creek Karst, wo wir zwei von den zweihundert Tropfsteinhöhlen in dieser Gegend besuchten. Eine Besonderheit dieser prachtvollen Höhlen sind die Glühwürmchen. Die Beleuchtung wurde ausgeschaltet, und wir standen unter einem lebenden Sternenhimmel. Später fanden wir ein romantisches Campingplätzchen im Regenwald und studierten die Wanderkarte des Cradle Mountain Nationalparks (Cradle bedeuted Wiege). Gegen 9 Uhr morgens und bei strahlendem Sonnenschein (das Wetter verwöhnte uns die gesamte Woche!) begann unsere Wanderung zum Marion Lookout (Aussichtspunkt). Nach zwei Stunden straffen Auftiegs präsentierte sich die folgende Sicht:


Der Cradle Mountain Gipfel befindet sich rechts im Bild

Natürlich wollten wir noch nicht umkehren, wanderten weiter zum Fuss des Cradle Mountain und dann auf engen Pfaden unterhalb der Gipfelkette bevor uns ein steiler, steiniger Absteig zu einem kleinen Gebirgsee brachte. Bill sprang ins eiskalte Nass, ich erholte mich im spärlichen Schatten. Der Abstieg führte weiter durch einen hohen Regenwald und um den halben Dove Lake (Taubensee, im Bild oben zu sehen). Zur Beschreibung der Landschaft könnte ich nun wiederum die oben aufgezählten Adjektive verwenden. Zur Abwechslung erwähne ich diesmal, dass wir nach sechs Stunden Bergtour doch recht müde, geschafft und von schmerzenden Körperteilen geplagt waren.

Auf dem Weg zur "Hauptstadt" Hobart besuchten wir ausserdem Strathgordon, den grössten Staudamm in Tasmanien. Wir bestaunten die Höhe des Bauwerkes und der engen Schlucht hinter dem Damm sowie das Faktenwissen der Dame im Besucherzentrum. Obwohl der Bau des Damms die Landschaft drastisch veränderte, scheint die Nutzung von Wasserkraft die naturfreundlichste Lösung zu sein. Die geringe Luftverschmutzung in Tasmanien trägt auf alle Fälle zum Schutz und zur Schönheit dieser grünen Insel bei. Wir verbrachten die letzte Nacht in Ms. Currie's House, einer Pension in einem alten Kolonialhaus im charmante Ort Richmond. Dieses historische Dorf mit seinen hübschen, altmodischen Geschäften und Restaurants befindet sich ca. 20 km von Hobart. Das antike Zimmer, ein erstklassiges Abendessen und die angeregte Unterhaltung mit unserem lustigen Wirt Frank sorgten für den bestmöglichen Abschluss unserer traumhaften Woche auf der grössten Insel Australiens. Thank you Tasmania, die Überrachung ist dir wirklich gelungen!

                      
Ms. Currie's House und Besitzer Frank